Jetzt ist der sprichwörtliche lange Atem der Marathonläufer gefragt: Hunderttausende Freizeitläufer können in Corona-Zeiten nicht mehr an den Start gehen, den Elite-Athleten fehlen Wettkämpfe und Einkünfte, die Veranstalter bangen um ihre Zukunft. Die Corona-Pandemie hat so gut wie alle bedeutenden internationalen Laufveranstaltungen gestoppt, darunter die Marathon-Klassiker von Berlin, Boston und New York. Am Montag wurde das Rennen in Chicago gecancelt. Der Hamburg-Marathon steht offenbar kurz vor einer Absage, und auch in Frankfurt deutet alles auf einen Ausfall hin. Die allein in Deutschland millionenschwere Branche City-Marathonlauf steht auf der Kippe.

„Wenn weiterhin keine bedeutenden Rennen stattfinden dürfen, ist bei den Leistungssportlern ein Rückfall in den Semi-Amateurstatus zu befürchten“, sagt Manager Christoph Kopp, der unter anderen Hendrik Pfeiffer, Amanal Petros und Alina Reh betreut. „Ausrüsterverträge federn zurzeit noch etwas ab, aber sie dürften auch reduziert werden, denn sie sind leistungsabhängig. Ohne Wettkämpfe ist natürlich keine Leistung möglich“, erklärt Kopp. „Die Enttäuschung ist riesig bei allen. Aber ich glaube, die Leistungssportler sind noch nicht so demotiviert, dass sie alles in die Ecke schmeißen.“

Solange das Verbot für Großveranstaltungen gilt und es für Veranstalter trotz aufwendiger Hygiene-Konzepte kaum politische Unterstützung gibt, sieht es schlecht aus. „Noch hat niemand das Handtuch geworfen. Aber eine zweite Absage 2021 wird so gut wie keiner verkraften, dann gibt es eine Pleitewelle„, sagt Horst Milde, der Vorsitzende der deutschen Straßenlaufveranstalter, German Road Races (GRR), und Gründer des Berlin-Marathons. Im April hat GRR beim Innenministerium einen Rettungsfonds für den Straßenlaufsport beantragt. „Bisher ist noch nichts entschieden“, sagt Milde.

Bei weitem nicht so schwarz sieht es der amtierende deutsche Marathon-Doppelmeister Tom Gröschel. „Ich habe zum Glück einen Job bei der Polizei und die zahlt auch bei Corona“ erzählt der gebürtige Güstrower. „Natürlich war 2020 sportlich eine Nullnummer, aber das galt für alle. Ich konnte wie immer trainieren, habe meine Verletzungen endlich einmal komplett ausgeheilt“, freut sich Gröschel. Und der 28-Jährige ergänzt: „Ich bin heute (Montag/d.Red.) so gut wie noch nie ins Training gestartet.“ Jetzt werde es ab dem 1. Dezember ernst, wenn es um die Quali für Olympia 2021 gehe.

International hegen ein paar Veranstalter bedeutender Rennen noch vorher Hoffnungen: Amsterdam, Istanbul, Paris oder auch London gehören dazu. Hamburg und München haben mit großem Aufwand Schutz-Konzepte vorgelegt, die beispielhaft sein können für einen Neuanfang des internationalen Laufsports. In Hamburg soll der Veranstalter jedoch nicht nur für die Teilnehmer, sondern offenbar auch für etwaige Zuschaueransammlungen außerhalb von Start- und Zielbereichen Konzepte umsetzen. Das ist bei einer Streckenlänge von 42,195 Kilometern nicht zu leisten.

Ähnlich sieht es Branchenkenner Jos Hermens. Der niederländische Manager betreut unter anderen Kenias Marathon-Superstar Eliud Kipchoge. „In Afrika ist es ein Drama“, warnt der frühere Weltklasseläufer. Die absoluten Stars der Szene sind aufgrund guter Werbeverträge bislang noch nicht gefährdet. Aber selbst für Athleten, die Weltklasse-Marathonzeiten von 2:05 (Männer) bzw. 2:21 Stunden (Frauen) erreichen, wird es schwierig.

„Sie sind abhängig von Preisgeldern“, erklärt Hermens, sagt aber auch, dass Kenianer oder Äthiopier nicht so schnell aufgeben. „Sie akzeptieren die Situation, sie haben in ihrem Leben gelernt, mit schwierigen Bedingungen fertig zu werden.“ Zudem gibt es in Afrika große Solidarität. So versorgt Eliud Kipchoge Athleten und deren Familien in seiner Umgebung mit Essen.

Hermens gehört auch zum Organisations-Team des Amsterdam-Marathons, der für den 18. Oktober geplant ist. „Wir versuchen alles“, sagt er, „denn es ist wichtig für den gesamten Laufsport, dass Läufe wie Hamburg oder Amsterdam stattfinden können.“