Kiel/Rostock. Als sie am vergan­genen Donnerstag die Nachricht erreichte, dass die Olympischen Sommerspiele in Tokio um ein Jahr verschoben werden, waren Malte Winkel und Matti Cipra gerade dabei ihr Boot in einem Überseecontainer zu verstauen. „Wir hatten alles für den Transport nach Japan vorbereitet. Dort wollten wir trainieren und uns weiter mit den Bedingungen auf dem Olympiarevier vertraut machen“, erzählt Winkel, der Steuermann auf der 470er Segel-Jolle ist.

Die Olympia-Terminverschiebung um ein ganzes Jahr bringt  die beiden Mecklenburger Spitzensegler mächtig in die Bredouille. Alle Termine und alle Verträge waren auf den Olympia-Termin in diesem Jahr ausgerichtet.

„Unser Kaderstatus läuft Ende April aus. Auch die Zugehörigkeit der beiden zur Sportfördergruppe der Bundeswehr endet am 30. des Monats“, erzählt der 26-Jährige. Wie es weitergeht, sei offen. „Wir hängen in der Luft“, verdeutlicht der Skipper.

Dabei steht für die Crew sehr viel auf dem Spiel. Seit Jahren schon war bei den beiden alles auf den Sommer 2020 ausgerichtet.

Daran, dass ihre sportliche Karriere nun abrupt enden könnte, mag der in Kiel lebenden Malte Winkel nicht denken: „Ich bleibe positiv und sage mir, dass es weitergehen wird.“

Vor allem geht es um Geld. Vom Kaderstatus hängt die Sportförderung ab. Die besten Sportler Deutschlands, zu denen der Schweriner Winkel und sein Wismarer Partner Cipra zählen, erhalten bis zu 1500 Euro aus der Sportförderung des Deutschen Olympischen Sportbundes. Da die beiden Mecklenburger noch bei der Bundeswehr angestellt sind, haben sie einen Teil ihrer Kosten für Reisen, Material, Trainingscamps und Wettkämpfe mit Hilfe ihres Soldes finanziert. Der liegt bei ungefähr 2000 Euro pro Mann und Monat. Anspruch auf Geld aus der Sportförderung hatte die Bootsbesatzung bislang nicht.

Fakt ist, dass die beiden für den  kostenintensiven Segelsport auf die Hilfe des Verbandes, der Bundeswehr  und ihrer Sponsoren angewiesen sind. Nachdem das Budget, mit dem der Deutsche  Seglerverband seine Athleten unterstützt, Ende 2019 ausgeschöpft war, entschloss sich die Crew, die Dienste ihres Honorartrainers weiter in Anspruch zu nehmen. „Für zwei Monate haben wir dafür 4500 Euro bezahlt.“

Für eine optimale Olympia-Vorbereitung hielten es die beiden auch für sinnvoll, im Januar in die USA zu fliegen, um in Miami zu trainieren und bei einer Regatta zu starten. Kosten: mehrere Tausend Euro, die mit Hilfe von Sponsoren und aus privaten Mitteln aufgebracht wurden.

Ob und wie Malte Winkel und Matti Cipra weiter von ihren Sponsoren unterstützt werden, können sie schwer abschätzen. Einer der wichtigsten Geldgeber des Duos ist die japanische Fluggesellschaft All Nippon Airways (ANA). Die Vereinbarung zwischen den deutschen Seglern und der ANA endet noch vor dem ursprünglich geplanten Olympia-Start am 24. Juli.

„Wir hatten noch keinen Kontakt. Die ANA war für uns immer ein toller und überaus verlässlicher Partner. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sie derzeit andere Sorgen als unser Sponsoring hat“, zeigt Winkel „volles Verständnis“ für das in der Corona-Krisenzeit besonders betroffene Luftfahrt-Unternehmen.

Auch sportlich läuft bei Winkel und Cipra momentan wenig zusammen. „Eigentlich hatten wir gehofft, dass wir wenigstens gemeinsam  auf dem Wasser trainieren dürfen. Am Wochenende wurde das aber durch das Land Schleswig-Holstein untersagt“, berichtet Winkel deprimiert.

Das Team darf außerdem nicht gemeinsam am Bundesstützpunkt der Top-Segler in Kiel-Schilksee trainieren. Teamarbeit am Boot ist ebenfalls bis auf Weiteres untersagt.

„Wir haben deutlich mehr Zeit als sonst. Einen Teil nutzen wir fürs Training – allerdings bleibt dabei jeder für sich“, erzählt der Steuermann vom Schweriner Yachtclub, der viel über die Situation nachdenkt. Winkel und Cipra tauschen sich täglich am Telefon aus und stimmen sich ab. Mit ihrem Coach und den beiden anderen Seglern der Trainingsgruppe, Philipp Au­thenriet und Simon Diesch, gibt es zweimal pro Woche eine Videokonferenz via Skype. 

„Was am meisten nervt, ist, dass uns die Hände gebunden sind. Was uns am meisten fehlt, ist Planungssicherheit. Sie ist existenziell“, erklärt Winkel.

Die Hoffnung, dass er mit Matti Cipra weiter für den Olympia-Traum  kämpfen darf, hat er nicht aufgegeben. Er hofft, schon vor dem Monatsende Gewissheit zu bekommen, dass und wie es weitergeht.