Theresa Wierschin kann davon ein Lied singen oder – besser – einen Shanty. Derzeit wird die Greifswalderin als Nachwuchskader des Deutschen Segler-Verbandes geführt und ist damit ihrem Traum von den Spielen schon ein großes Stück nähergekommen.

In der Welt der Profi-Sportler scheint die 18-Jährige bereits jetzt angekommen zu sein: „Ich bin zu­allererst ehrgeizig. Manchmal zu sehr. Ich will überall hundert Prozent Leistung bringen“, antwortet die Athletin wie aus der Pistole geschossen, wenn man sie bittet, sich selbst zu beschreiben.

Vom Ryck an die Warnow

Als 14-Jährige zog sie von zu Hause aus, um das Internat in Rostock zu besuchen und sich in Warnemünde unter Landestrainer Roberto Güldenpenning zu entwickeln. Seitdem ist sie nur noch etwa einmal im Monat zu Besuch bei ihren Eltern. Zu ihrem alten Freundeskreis in Greifswald habe sie nur noch sporadisch Kontakt, denn ihr Lebensweg ist nun ein anderer. Was sie hingegen noch immer mit der Hansestadt am Bodden verbindet, ist der hier beheimatete Akademische Seglerverein, bei dem sie im Grundschulalter ihre ersten Optimisten-Fahrten absolvierte. Noch heute segelt sie in der Bootsklasse Laser Radial für den ASVzG und holte im vergangenen Jahr unter anderem den fünften Platz beim Young European Sailing, einem renommierten europäischen Nachwuchswettbewerb, und den zweiten Rang bei der Deutschen Juniorenmeisterschaft.

Manchmal ist Zeit für Netflix

Die Spitzenleistungen verlangen Theresa einiges ab. In ihrem neuen Zuhause ist sie den ganzen Tag lang von anderen Athleten umgeben. Das gemeinsame Interesse am Leistungssport schweiße zusammen. Bis zu zehn Trainingseinheiten in der Woche bestimmen ihren Rhythmus. Dazu kommen mehrere Trainingslager im Jahr, auch im Ausland, Trainingsblöcke am Bundesstützpunkt in Kiel und natürlich die Teilnahme an nationalen und internationalen Wettbewerben.

Mit dem Durchschnitts-Alltag einer jungen Erwachsenen hat das von außen betrachtet kaum etwas zu tun. Für Theresa ist es Normalität geworden. Sie bekomme es meist gar nicht mit, dass sie ein anderes Leben habe, sagt sie und zuckt mit den Achseln. Manchmal merkt sie es aber doch.

Andere Mädchen in ihrem Alter machen ihren Führerschein (Theresa: „Das schaffe ich schon zeitlich nicht“) oder feiern am Wochenende eine Party nach der anderen („Das verträgt sich nicht mit dem Sport. Schlaf ist das A und O.“).

Nur zum Lesen oder Serien­gucken reiche das bisschen Freizeit, das ihr neben Sport und Schule noch bleibt. Viele Talente würden diese Belastung nicht aushalten und wieder den Weg in ein weniger stressiges Leben suchen. Für Theresa keine Option: „Was man anfängt, muss man auch zu Ende bringen.“ Aus ihrem Mund kling dieser Satz wie ein Mantra.

Tempo, Wind und Wellen

Warum sie sich das antue? Diese Frage würde ihr häufig gestellt. Was ihr so am Segeln gefalle, sei für sie schwer in Worte zu fassen. Trotzdem klingt die Antwort weder einstudiert noch hölzern: „Man hat das Gefühl, man sei Herr über Wind und Wellen“, erzählt Theresa. So schüchtern und zurückhaltend sie auf Fragen zu ihrer Person reagiert, so sehr blüht sie auf, wenn es um das Segeln geht.

Schnelligkeit, Tempo, die Konkurrenz bei Regatten immer im Blick, immer bereit, in Sekundenbruchteilen auf neue Gegebenheiten reagieren zu können – das sei ihr Sport. Je mehr Wind, je schneller ihr Boot durch das Wasser pflügt, umso mehr Spaß habe sie. Immerhin zahle sich das harte Training im Kraftraum in solchen Situationen überhaupt erst aus. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.

Als Seglerin um die Welt

Es scheint paradoxerweise so, als würden die Entbehrungen und die stark strukturierten Tage Theresa überhaupt erst frei machen. Frei auf dem Wasser, frei zu tun, was sie liebt. Und das Leben als Leistungssportlerin habe noch weitere schöne Seiten. Durch Trainingslager und Regatten kommt die Schülerin viel herum.

In Europa habe sie praktisch jedes Land mit Küsten schon mindestens einmal bereist. Weitere Ziele waren Kanada und Israel. Durch die Wettbewerbe hat sie Freundschaften in der internationalen Nachwuchsspitze geknüpft. Welche ­18-Jährige kann das schon von sich behaupten? „Für diese Erfahrungen bin ich sehr dankbar“, sagt Theresa beinahe demütig, obwohl sie sich doch all das selbst erarbeitet hat.

Strandurlaub? – nein danke!

Daran in diesem Jahr weiter anzuknüpfen, ist wegen der Corona-Pandemie schwer. Eigentlich käme Theresa gerade frisch von den Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften in Travemünde, doch die wurden abgesagt.

Stattdessen genießt sie in den letzten Tagen ihrer Sommerferien so etwas wie Urlaub. Obwohl auch der natürlich prall gefüllt ist mit Sport. Neben dem Segeln ist das Radfahren Theresas Leidenschaft und in Lubmin bringe sie sich gerade das Kitesurfen bei. Und einfach mal die Füße hochlegen? „Ich glaube, dafür bin ich einfach nicht der Typ. Nach drei Tagen Strandurlaub würde ich wohl im Dreieck springen“, sagt sie und lacht.