Das Jahr 2020 hätte ein großartiges im Leben von Tom Gröschel werden können. „Nach den beiden Trainingslagern in Kenia fühlte ich mich in bestechender Form“, erzählt der 28-jährige Langstreckenläufer, der sich lange und intensiv auf den Start bei den in diesem Sommer geplanten Olympischen Spielen in Tokio vorbereitet hatte.

Schon bei seinem ersten Saisonrennen – einem Halbmarathon im Februar in Barcelona – lief Gröschel mit 1:04,09 Stunden eine neue persönliche Bestzeit. Seine Hoffnung, bei seinem ersten Saisonwettkampf die Olympianorm von 2:11,30 Stunden bei einem Marathon über 42,195 Kilometer zu knacken, war groß. Doch weil er schon seit dem Trainingslager in Afrika Rückenprobleme hatte, ließ sich der Rostocker nach seiner Rückkehr genauer untersuchen. Die niederschmetternde Diagnose: Haarriss im Becken und ein Ödem am Kreuzbein.

„Nach dem schweren Schlag war ich total am Boden. Ich musste das erst mal verdauen“, berichtet er. An Lauftraining und weitere Wettkämpfe war nicht zu denken. Durch die Corona-Krise wurde reihenweise Wettkämpfe abgesagt und schließlich die Olympischen Spiele auf das kommende Jahr verschoben. Der Ausdauersportler sieht das mit gemischten Gefühlen: „Ich bin ein Typ der sich quälen kann, weil ich vergleichsweise schmerzunempfindlich bin. Ich denke, ich hätte auch bis zum Sommer wieder in Form kommen können.“

Da auf absehbare Zeit keine Rennen stattfinden, bleibt Tom Gröschel mehr Zeit, um wieder richtig fit zu werden. Freude empfindet der Läufer, der von Beruf Polizist ist und in den vergangenen Wochen Dienst geschoben hat, deshalb nicht: „Es fällt mir schwer, meine Füße stillzuhalten. Ich möchte gern wieder laufen“, versichert der deutsche Marathonmeister der Jahre 2018 und 2019.

Nächste Station auf dem Weg des Europameisterschafts-Elften von 2019 ist eine Reha in Herxheim in Rheinland-Pfalz. Dort hatte sich Gröschel schon 2019 nach einer Knöchel-Operation erfolgreich behandeln lassen. Dort gibt es auch ein speziell gedämpftes Laufband, auf dem er bald trainieren will.

Seinen Optimismus hat der Läufer vom TC Fiko Rostock trotz des erneuten Karriere-Rückschlags nicht verloren. „Ich bin guter Dinge. Ich habe mehrfach bewiesen, dass ich ein Stehaufmännchen bin“, meint Gröschel, der nach Verletzungen stets wieder in Form kam und zuletzt schneller lief als zuvor.

Der Olympia-Start im nächsten Jahr bleibt in Gröschels Reichweite. Es ist das große Ziel, das er braucht, um sich zu motivieren. Der Mecklenburger plant, am 6. Dezember beim Marathon im spanischen Valencia an den Start zu gehen. Ort und Zeitpunkt scheinen perfekt geeignet zu sein, um die Olympia-Norm zu knacken.

Amanal Petros, mit dem Gröschel in Bochum gemeinsam trainiert, unterbot die geforderte Olympia-Zeit dort im vergangenen Jahr. Gröschel, der noch in diesem Jahr ein weiteres Trainingscamp im kenianischen Iten aufschlagen möchte, will nachziehen. Er wäre nach Petros und Hendrik Pfeiffer der dritte Deutsche, dem das gelingen würde. Beim Olympia-Marathon 2021 wird es für Deutschland aller Voraussicht nach drei Startplätze geben.