Hannes, Sie fuhren vor einer Woche mit Ihrem Pkw vom Bundesstützpunkt in Dortmund nach Polen und von dort Sonntag nach Hause…
Genau. Das war jetzt auch ökologisch sinnvoller, als wenn ich noch die 800 Kilometer erst mal nach Dortmund zurückgekehrt wäre. 21 Uhr war ich nach 500 Kilometern in Rostock, wo ich ja meinen Hauptwohnsitz , mit der Landespolizei MV meinen Arbeitgeber habe. Wegen der Olympia-Verschiebung auf 2021 musste ich mir aber in Dortmund, wo ich vorher in einer WG gelebt hatte, noch mal eine eigene Wohnung suchen.

Apropos. Die Spiele in Tokio sollten der Höhepunkt 2020 sein. Ohne Corona wären sie bereits Geschichte – und Sie wären jetzt kein Leistungssportler mehr, oder?
Ich wollte vom Verlauf der Olympischen Spiele abhängig machen und tue es noch immer, ob und wie es mit meiner Laufbahn weitergeht. Man muss da ja viele Faktoren berücksichtigen: Was ändert sich möglicherweise in der Struktur beim Ruderverband, es geht um Motivations- und gesundheitliche Fragen, Sponsoren spielen eine Rolle, die familiäre Situation… Ich schaue erstmal in kurzen Etappen.

Zumal Sie 2020 besonders gespürt haben, wie hart es ist, seinen Platz an Bord des Flaggschiffs jedes Jahr verteidigen zu müssen?
Ja. Die Vorbereitung auf die Ausscheidung war mit vier Auslands-Aufenthalten ziemlich hart. Die Zeit dazwischen war relativ kurz und meine Regeneration, das Krafttanken nicht optimal. Ich konnte dann sowohl auf dem Ergometer als auch im Kleinboot mit Zweier-Partner Christopher Reinhardt aus Dorsten nicht überzeugen, ging ziemlich auf dem Zahnfleisch. Mit Ende 20 ist man nun mal auch nicht mehr der Jüngste und braucht ein paar Stunden mehr zur Erholung. Es war eine super knappe Geschichte, es war für mich sogar so eng wie noch nie, aber unser Bundestrainer Uwe Bender hat zum Glück auf die Qualität gesetzt, die mich die Jahre vorher auszeichnete.

Der EM-Titel hat ihn bestätigt. Feiern war freilich nicht – Donnerstag reisen Sie und Ihre Crew nach Rendsburg zum SH Netz Cup…
Stimmt. Dort findet zunächst am Freitag öffentlich auf einer Bühne ein 500-Meter-Ergometer-Sprint statt mit unseren beiden Gegnern, dem EM-Dritten Niederlande und den Polen. Der Sprint entscheidet über die Bahnwahl. Wir wollen uns die „Pole position“ für das Rennen über 12,7 Kilometer errudern. Dann würden wir die Innenbahn wählen, die als erstes in die Kurve geht. 

Wie geht es für den Achter nach Rendsburg weiter?
Danach sind wir noch mal eine Woche zu Hause und arbeiten individuell. Am 3. November sollen wir eigentlich nach Lissabon fliegen mit Ziel Trainingslager in Lago Azul. Aber momentan kann sich die Lage ja von heute auf morgen ändern. Geht alles nach Plan, reisen wir nach der Langstrecke am 29. November in Dortmund (6000 Meter im „Zweier ohne“ – d. Red.) vom 2. bis 18. Dezember erneut nach Portugal, nach Avis, und bleiben danach diesmal bis Ende Januar in Deutschland.