Die Corona-Krise hat den gesamten Sport und das öffentliche Leben weltweit lahm gelegt. Wie es in dieser Zeit den Amateur-Boxern des Deutschen Boxsport-Verbandes (DBV) geht und wie sie mit dieser Situation umgehen, darüber sprach der SPORTBUZZER mit dem DBV-Präsidenten Erich Dreke.

Herr Dreke, die Olympischen Spiele in Tokio wurden in das nächste Jahr verschoben. Ist das die richtige Entscheidung?

Vollkommen richtig! Aus meiner Sicht kam diese Entscheidung fast zu spät.

Warum?

Weil alle Sportler in Anspannung waren, was unnötig war. Die Entscheidung hätte früher kommen können. Dennoch sind wir jetzt damit zufrieden.

Trotz der Corona-Krise ließ das Internationale Olympische Komitee (IOC) noch Anfang März das Olympia-Qualifikationsturnier in London austragen. Nach drei Veranstaltungstagen wurde es aber abgebrochen. Wie sind die deutschen Boxer mit dieser Situation klar gekommen?

Unsere Athleten waren ja schon zehn Tage vorher in London im Trainingslager. Für uns war schon vorher unverständlich, warum überhaupt dieses Qualifikationsturnier gestartet wurde. Wir mussten uns diesem beugen, um unseren Sportlern die Chance zu geben, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren. Zusammen mit den beiden Sprechern der Aktiven hatten wir täglich eine Krisensitzung in London und haben mit ihnen besprochen, welche Sicherheitsvorkehrungen wir treffen müssen. Damals war die Situation noch nicht so verschärft wie heute. Die Schulen, Hotels und Gaststätten waren noch alle in Deutschland geöffnet. In England waren die alle vollkommen unbekümmert. Zu diesem Zeitpunkt war es dort überhaupt kein Thema.

Wurden die Boxer nach der Rückkehr in Deutschland getestet, ob sie sich in London mit dem Coronavirus infiziert haben?

Ob sie alle getestet wurden, kann ich nicht bestätigen. Auf jeden Fall sind alle in häusliche Quarantäne gesetzt worden. Sie sind zu Hause und trainieren nicht am Olympiastützpunkt. Jeder trainiert alleine individuell nach einem Trainingsplan in den eigenen vier Wänden. Das alles digital.

Beginnt nun nach der Verschiebung der Olympischen Spiele die Qualifikation wieder von vorne?

Nein! Der Stand der europäischen Qualifikation, so wie er vor dem Abbruch in London war, bleibt bestehen. Das heißt, die sich dort bereits qualifiziert haben, sind im nächsten Jahr in Tokio dabei. Das hat uns das IOC auch so mitgeteilt. Wir haben mit dem Berliner Federgewichtler Hamsat Shadalov einen Boxer, der das Ticket gebucht hat.

Was passiert, wenn Shadalov sein Gewicht im nächsten Jahr nicht mehr halten kann?

Dann kann er bei Olympia nicht mehr starten. Nach heutigem Stand können wird die Gewichtsklasse dann nicht mehr besetzen.

Mit Sarah Scheurich hat der BC Traktor Schwerin ja noch eine Boxerin im Rennen. Kann sie sich jetzt noch für Olympia qualifizieren?

Die europäische Olympia-Qualifikation wird ja fortgesetzt. Im Mittelgewicht bei den Frauen ist Irina Schöneberger die Nummer eins, Sarah Scheurich die Nummer zwei. Falls Schönberger bei der Euro-Qualifikation scheitern sollte, dann muss die Nominierungskommission unseres Verbandes überlegen, ob eventuell Sarah Scheurich an der Welt-Qualifikation teilnehmen darf. Das muss dann entschieden werden. Also, eine Chance besteht für Sarah immer noch.

Was ist mit der Weltmeisterin Ornella Wahner?

Auch sie und Superschwergewichtler Nelvie Tiafack können sich noch qualifizieren. Ihre Kämpfe wurden in London wegen der Corona-Krise nicht ausgetragen. Wann die Qualifikationen fortgesetzt werden, das weiß heute noch keiner. Das hängt in erster Linie davon ab, ob wieder weltweit gereist werden kann.

Halten die Sponsoren noch bei der Stange, obwohl die Verträge ja nur bis Olympia 2020 abgeschlossen wurden?

Unsere Sportler sind hauptsächlich bei der Bundeswehr in der Sportförderung. Das läuft weiter. Allerdings müssen wir in den nächsten Wochen und Monaten klären, wie es um die Verträge der Trainer bestellt ist. Diese müssen verlängert werden. Das muss jetzt mit den entsprechenden Stellen abgestimmt werden.

National hat der DBV beschlossen, alle Wettkämpfe und Veranstaltungen bis 29. Juni auszusetzen. Obwohl in der ersten Bundesliga das Final Four noch nicht stattfand, wurde der BC Traktor Schwerin zum deutschen Mannschaftsmeister erklärt. Warum?

Wir können in dieser Zeit die Playoffs nicht mehr machen. Deshalb haben wir uns so entschieden, die Platzierung der Vorrunde als Endstand zu werten. Der BC Traktor Schwerin führt die Tabelle an.

Gibt es Vereine, die durch die Corona-Krise in finanzielle Nöten gekommen sind?

Uns ist bisher nichts bekannt. Alle Landesverbände werden durch die Landessportverbände unterstützt. Die notwenigsten Dinge, die geregelt werden müssen, sind auch geregelt.

Könnte der DBV überhaupt finanziell helfen?

Das müsste geprüft werden. Wir haben als Verband 2018 zwar erstmals wieder schwarze Zahlen schreiben, aber keine großen Rücklagen bilden können. Wenn der Fall eintreffen sollte, dann können wir nur Hilfestellung geben bei der Einforderung von öffentlichen Mitteln.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass wir so schnell wie möglich die Pandemie überwinden und dass wir wieder zur Normalität zurückfinden. Für den Boxsport wünsche ich mir, dass wir ihn noch mehr fördern können. Ich denke, dass der olympische Boxsport wesentlich attraktiver ist als jeder Profiboxsport.